Interview mit Uwe/ 1. Teil

Interview mit uwe münch/ 1. Teil

Lieber Uwe, wir sind dir dankbar, dass du dich unseren Fragen stellst. Wir sind sehr erfreut, dass du unseren Chor übernommen hast. Es macht Freude mit dir zu singen und zu spüren, dass du durch deine Art der Herangehensweise in jeder Probe uns von neuem motivierst und weiterbringst.

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◆ Du lebst von und für die Musik. Gibt es andere Dinge, die du auch gerne tust oder tun würdest.

Uwe Münch: Ja, da gibt es eine Menge. Auch im Bereich der Musik konnte ich mich ja nie entscheiden. So hatte ich bereits während meiner Tätigkeit als Kapellmeister am Opernhaus einen Lehrauftrag für Musiktheorie an der Musikhochschule…
Ich wäre gerne Architekt geworden, interessiere mich sehr für historische Bausubstanz. Zudem beschäftige ich mich seit vielen Jahrzehnten intensiv mit der Zeit zwischen 1900 und 1945. Die Welt der bildenden Kunst fasziniert mich ebenfalls sehr. Ich habe immer längere Phasen, in denen ich mich mit einem Thema jenseits der Musik auseinandersetze. Zuletzt war dies z.B. der schreckliche, wirkungsmächtige Philosoph Carl Schmitt.

◆ Kannst du etwas über dich sagen, was nicht schon in deinem Lebenslauf oben steht?

UM: 7 Laufenten, 4 Pfauen, 2 Katzen, 2 Pferde

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◆ Du hast von Beginn weg offene Menschen getroffen in unserem Chor. Haben wir dir den Einstieg leicht gemacht?

UM: Die Offenheit sich einzulassen und Dinge auszuprobieren ist eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg einer neuen Chorleitung. Im Fall des Konzertchores war dies gefühlt zu 100% der Fall. Vermutlich wurde diese Offenheit auch durch den letzten Dirigenten gepflegt und gefördert. In jedem Fall wird sie durch den aktuellen Vorstand gelebt.

UM: Ich hatte mehrere Vorschläge gemacht, der Vorstand hat sich dann für Judas Maccabaeus (JM) entschieden. Oratorien von Händel werden jenseits des Messias und vielleicht des Dettinger Te Deum ungeachtet seines berühmten Namens eher selten aufgeführt. Zudem habe ich nach Werken Ausschau gehalten, die das Spannungsfeld zwischen der aktuellen Weltlage und der „Feier“ der 80. Jahrestags des Kriegsendes widerspiegeln. In JM begegnen wir diesbezüglich zahlreichen Fragestellungen, die viele von uns täglich bewegen.

◆ Du hast dieses nun gesungene Werk als erstes für einen Chor, den du noch nicht kanntest, vorgeschlagen. Wolltest du damit ein Zeichen zu setzen? Wenn ja, welches?

Zum Werk Judas Maccabaeus

◆ Judas Maccabäus ist ein geistliches Werk, welches das Vertrauen der Israeliten zu Gott besingt. Ist dir solche „geistliche“ Musik wichtig und hat das auch etwas mit dir, deinem Leben und deinem persönlichen Glauben zu tun.

UM: Mein „Glaubensleben“ ist und war bewegt und ist stets im Wandel. Im Moment fühle ich mich mit dem Leben und der Welt, in die ich hineingekommen bin, sehr persönlich konfrontiert. Da stört mich meist jeglicher „Überbau“ von außen, und ich bin hierin mit den Mystikern verbunden. Aber ich erkenne in der Musik im Allgemeinen und auch in vielen biblischen Texten unzweifelhaft eine unfassbare Kraft- und Trostquelle, hinter der sich etwas verbirgt, welches ich gerne Gott nenne. Ich bin mit geistlicher Musik aufgewachsen, habe 16-jährig begonnen Kirchenchöre zu leiten.

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UM: Ich glaube fast, der Chor, wie ich ihn kennengelernt habe, hätte sich für (beinahe) jedes Werk begeistert!

◆ Der Chor war dir dankbar, dass er seit einiger Zeit wieder einmal ein grosses, zusammenhängendes Werk singen kann. Hast du die Begeisterung und Zustimmung dafür feststellen können? Wie waren die Rückmeldungen?

◆ Gab es Stimmen welche dir sagten, dass dieses Werk unpassend sei angesichts der verschiedenen Kriegsherde auf der Welt?

UM: Ja, da gab es auch Bedenken, die ich gut verstehen kann. Wichtig ist für mich, dass ein Werk in einem solchen Kontext Fragen offen stellt, und nicht versucht, Lösungen in einer festgelegten Richtung zu präsentieren. Dies ist hier der Fall. Und wir müssen diese Fragen aushalten, denke ich.

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UM: Manchmal weiss man ja nicht einmal, wer wen zuerst angegriffen hat, manchmal weiss man es. Ich denke im Grunde an die Fragen von Frieden und Freiheit, die jeden von uns ständig betreffen. Dazu gehören neben Kriegen auch Alltägliches, der Umgang miteinander, z.B. auch während der ganzen Corona-Zeit.

 

◆ Singen wir als Konzertchor Ostschweiz dieses „Hohelied der Freiheit“ gerade auch für all die Völker dieser Welt, die von anderen Ländern angegriffen werden?

◆ Haben Kulturschaffende in ihrem Wirken einen politischen Auftrag? Und wenn ja, wie kommt dies in G. F. Händels Werk gezielt zum Ausdruck?

UM: Speziell Händel hat seine Werke oft politisch verstanden. Für uns ist die Zeit der Jakobitenaufstände zu seiner Zeit jedoch vermutlich weniger von Bedeutung, der biblische Inhalt des Werkes kann vielmehr als Methaper für unsere Zeit verstanden werden. Selbst die Nazis versuchten ja, das Werk durch Anpassungen für ihre Propaganda zu missbrauchen, indem sie gerade alles Differenzierte, alle Fragestellungen eliminierten, während die jüdischen Kulturbünde JM als Werk aufführten, welches ihren Drang nach religiöser Selbstbestimmung verkörperte. Einerseits halte ich es für eine Aufgabe der Kultur, klar Stellung zu beziehen und Meinungen deutlich zu äussern. Unrecht darf und soll auch in der Kultur angeklagt werden. Gleichzeitig sind die Fragestellungen aber oft differenziert, wie das Leben eben differenziert ist. Oft erscheint es mir angemessener, Fragen provozierend deutlich zu artikulieren, damit viele Facetten von Wahrheit zu Tage treten. Durch ein „Freund-Feind-Schema“ als Massgabe des politischen Handelns (Carl Schmitt) werden ständig neue Konflikte eskalieren.

UM: An Händel begeistert mich die Gleichzeitigkeit von Tiefe und Oberflächenglanz, die unmittelbare Wirkung bei sehr oft großer Kunstfertigkeit. Chöre singen Händel immer gerne.

◆ Was fasziniert dich am Komponisten G. F. Händel und seiner Musik?

Die Fragen haben Jürgen Bucher, Bernhard Nauli und Kurtheiri Kubli gestellt.